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Feuerprobe und kollektives Versagen – Der Landesrechnungshof, die IBG und der Ministerpräsident Live

Von Jana Merkel I 2. Juni 2015

Mit vielen Fragen im Gepäck saß ich gestern im Dienstwagen und ärgerte mich schwarz über den Stau auf der A14. Zu diesem Termin wollte ich keinesfalls zu spät kommen. Ein Pressegespräch mit dem neuen Präsidenten des Landesrechnungshofes Kay Barthel. Vor diesem Termin hätte ich keine Wetten darauf abgeschlossen, wie er das Thema anpacken würde: Die skandalumwitterte IBG Beteiligungsgesellschaft des Landes. Für mich quasi die Feuerprobe für den neuen obersten Rechnungsprüfer des Landes. Vorher saß er als CDU-Abgeordneter schon im Untersuchungsausschuss zur IBG. Wie hart würde er mit der Fördergesellschaft und den zuständigen Ministerien ins Gericht gehen?


Der neue Präsident im Interview 


Landesrechnungshof-Chef mit klaren Ansagen


Kay Barthel zeigte Kante und hielt mit Kritik nicht hinter den Berg. Er fand deutliche, sogar vernichtend deutliche Worte:

"Kollektives Versagen bei der IBG" Kay Barthel

Das sagt eigentlich alles. Und es bringt den neuen Chef des Rechnungshofes öffentlich in Position: Der duckt nicht weg, der legt den Finger in die Wunde. Und ich muss gestehen: Ich habe mich richtig gefreut. Nach den inzwischen fast zwei Jahre dauernden, äußerst zähen Recherchen zum Thema war es wirklich angenehm mal jemanden offen über die Sache reden zu hören.

Und ihm Fragen stellen zu können.

Beschämendes Urteil für die Landesregierung

Das Fazit ist beschämend für die Landesregierung. Die amtierende wie ihre Vorgänger. Von den 80 Millionen Euro Verlust seit 2008 einmal abgesehen, gleicht die IBG einem – tja, einem was? Mir fällt gar nichts Vergleichbares ein.

„Bananenrepublik“ würden manche sagen. Wie soll man es auch nennen, wenn Steuergeld ausgegeben wird und keiner kontrolliert, was damit passiert. Oder wenn die Verantwortlichen gegen die eigenen Regeln entscheiden. Wie bei der Rettungsfinanzierung für die Schlossgruppe Neugattersleben im Jahr 2012: 5,25 Millionen Euro um Unternehmensschulden zu tilgen. Das darf die IBG nicht. Jaja, jetzt schreit gleich wieder irgendjemand: „Das hat doch Arbeitsplätze gesichert!“ Klar. Klingt immer gut. Aber wo landen wir, wenn Steuergeld einfach für irgendwas ausgegeben wird, ohne Zweckbindung?

„Das öffnet Missbrauch Tür und Tor“ Kay Barthel

Barthel hat Recht. Sich hinter vermeintlich geretteten Arbeitsplätzen zu verstecken, ist natürlich einfacher als die Frage zu stellen, wer politisch den Kopf dafür hinhalten muss, dass Millionen Euro regelwidrig verteilt wurden. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Wie oft haben wir über Unternehmen berichtet, die von der IBG Geld bekommen hatten, ohne auch nur einen Arbeitsplatz in Sachsen-Anhalt zu schaffen. Auch das kritisiert Barthel scharf.

Haseloff muss sich jetzt äußern

Kay Barthel hat die Verantwortlichen klar benannt: Wirtschaftsministerium und Finanzministerium. Das aktuelle Wirtschaftsministerium muss den Laden zwar jetzt aufräumen, geerbt hat Hartmut Möllring das IBG-Desaster aber von seinen Vorgängern. Und zu denen gehört ein Mann, der sich nun endlich auch zum ersten Mal öffentlich zur IBG äußern muss: Ministerpräsident Reiner Haseloff. Der Landesvater war nämlich von 2006 bis 2011 als Wirtschaftsminister zuständig für die IBG. Diverse Male haben wir ihn dazu um Interviews gebeten. Keine Chance. Der Regierungssprecher verwies uns immer an den aktuellen Wirtschaftsminister. Auf meine letzte Nachfrage mit dem Hinweis, dass es uns aber um die Ereignisse zur Amtszeit von Haseloff gehe, erhielt ich gleich gar keine Antwort mehr.

Aber am Mittwoch, dem 03.06.2015 kann Haseloff nicht mehr ausweichen. Den Fragen der Abgeordneten im Untersuchungsausschuss muss er sich stellen. Wie er sie beantwortet, ist allerdings eine anderes Thema. Ich bin gespannt, was ihm zum „kollektiven Versagen“ einfällt. Hoffentlich nicht nur der häufig von Zeugen zelebrierte „kollektive Gedächtnisverlust“.

Vielleicht steigt der Druck mit der klaren Positionierung des Landesrechnungshofs auf die Landespolitiker nun. Fakt ist jedenfalls: Dass jemand die politische Verantwortung für das Desaster IBG übernimmt, ist überfällig.

Übrigens: Am 3.6. um 20:15 Uhr rollt das Nachrichtenmagazin „exakt“ den Fall Schlossgruppe noch einmal im Detail auf.

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