Merseburg empfängt mich mit strahlendem Sonnenschein und vielen Einbahnstraßen. Zu viele für meinen Geschmack, zumindest wenn man ortsfremd ist. Trotzdem finde ich schnell den Entenplan. Ein zentraler Platz mit schönem Brunnen im Zentrum der Saalestadt. Idealer Ausgangspunkt für meine letzte Luther-Entdeckungsreise.
Es ist ein Ort, wo sich Geschichte, Gegenwart und Kunst verbinden, wo es nette Leute gibt, viele Spatzen und Wasser, zum Abkühlen. Denn am Entenplan gibt es einen Brunnen. Der Bildhauer Bernd Göbel hat den Brunnen entworfen, der den Namen "Zwei Welten" trägt, bei den Merseburgern aber einfach Göbel-Brunnen heißt.
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Der Brunnen besteht aus zwei Säulen, die an verschiedenen Stellen Wasser spritzen. Normalerweise. Nur nicht an Markttagen. Das ständige Plätschern sei nichts für die Blase, erklärt mir eine der Marktfrauen schmunzelnd. Trotzdem schön der Brunnen. Auch ohne Wasser. Er besteht aus zwei Säulen, die oben mit einander verbunden sind und eine Art Brücke bilden, durch die man durchlaufen kann.
Dank einer netten Merseburgerin finde ich dort auch die erste Lutherspur. Am Göbel-Brunnen gibt es nämlich Figuren, Zeichnungen und Texte, die Merseburger Geschichte erzählen und voila: Da ist er, der Kopf vom Luther und das Datum seines Aufenthalts.
Und der Anlass war ein sehr schöner: Im August 1545 kam er nach Merseburg, bestimmt ein schöner Sommertag, hat gewohnt im Pfarrhaus der Stadtkirche. Dann hat er im Merseburger Dom Fürst Georg von Anhalt geweiht. Einen Tag später hat er einen Theologen mit seiner Haushälterin verheiratet. Ein schönes Happy End im Dom zu Merseburg.
Der Dom ist also die nächste Station für heute. Schon beim Einparken werde ich von zwei Damen mit Handschlag begrüßt. Die Pressesprecherin der Stadt hat Radio gehört und wollte mir nur fix einen schönen Tag wünschen. Das ist mir auch noch nicht passiert. Da fühlt man sich gleich noch mehr willkommen.
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Der Dom raubt mir fast den Atem. Was für eine Kulisse. Voller Ehrfurcht stehe ich im Innenhof von Schloss und Dom und komme mir vor 1.000 Jahren Geschichte ganz klein vor. Domführerin Beate Tippelt zeigt mir stolz die Lutherkanzel. Drei Mal hat der Reformator dort gepredigt. Fotografieren darf ich die Kanzel leider nicht. Dafür gibt die Organistin ein exklusives Konzert fürs Radio. Gänsehaut pur, als die Ladegastorgel erklingt. Ich muss unbedingt zu den Orgeltagen im September wiederkommen.
Die Kathedrale ist zu Recht das Herz und die Seele Merseburgs. Ein beeindruckendes Baudenkmal von europäischer Bedeutung. Die Domführer freuen sich auf große und kleine Besucher. Haben Spiele für Kinder vorbereitet und sogar eine akustische Führung für Kinder parat. Sogar Bilderbücher und Comics über Luther stehen im Museumsshop. Die Toilette am Dom ist immer offen und kostet keinen Cent. Ich bin erleichtert und kann noch einen Spaziergang zur Saale einschieben. Schön wohnen kann man also auch noch in Merseburg - mit Blick auf den Fluss.
Bevor die Mittagshitze mich erschlägt, tauche ich ab. Ich habe gehört, unter der Stadt gibt es ausgedehnte Gewölbekeller - die tiefen Keller von Merseburg. Der Ursprung dieses unterirdischen Gewölbesystems geht bis in das 13. Jahrhundert zurück. Holger Leidel, der Vorsitzende des Merseburger Kunstvereins, nimmt mich die sieben Meter in den Keller mit hinab und erklärt mir, dass hier einst Bier gelagert wurde. Mehr als 500 bierbrauberechtigte Familien soll es einst in Merseburg gegeben haben, erzählt er mir. Jede hatte einen Keller. Einige sind miteinander verbunden, 300 Meter Fußweg unter der Stadt. Etwa eine Stunde dauert die Führung, vorbei an Kunstwerken, Brunnen, mit allerlei spannenden Sagen und Episoden aus der Stadtgeschichte. Eine willkommene Abwechslung bei angenehmen zehn Grad. Wie ein großer unterirdischer Kühlschrank. Regelmäßig gibt es öffentliche Führungen. Immer samstags 14.30 Uhr. Aber auch individuelle Führungen sind nach Absprache möglich. Große Besuchergruppen sollten sich anmelden. Merseburg hat also jede Menge zu bieten oberhalb und unterhalb der Erde. Alles an einem Tag zu schaffen, schwer vorstellbar.