Wittenberg | 26. Juli 2016
Der Startpunkt meiner Entdeckungs-Tour durch Wittenberg klingt nicht gerade einladend: die öffentliche Toilette direkt am Fuße der Schlosskirche. Doch sie ist in mehrerer Hinsicht einen Abstecher wert. Zunächst einmal ist sie die einzige betreute Toilette in Wittenberg weit und breit. Wer Sehenswürdigkeiten wie Schlosskirche, Stadtkirche, Schlossplatz oder Cranach-Höfe erkunden will, braucht Zeit und demzufolge eine leere Blase, sonst wird der Städtetrip zur Hetzpartie.
Zum anderen liegen hier mehrere Gästebücher aus, deren Inhalt wohl jeden zum Schmunzeln bringen dürfte. „Auch Luther hätte es genossen!“, schreibt zum Beispiel Peter Ken aus dem englischen Worchester. Und Ernst von Bismarck lässt sich mit „Ein wunderbarer Ort der Ruhe.“ zitieren.
Aus insgesamt 69 Ländern kommen mittlerweile Gäste in die Lutherstadt Wittenberg, selbst aus Papua-Neuguinea waren vor zwei Wochen Touristen angereist. Und sie alle kommen vor allem wegen des großen Reformators: Martin Luther.
Ein Treffen mit Martin Luther
Ich treffe Martin Luther, der im wahren Leben Bernhard Naumann heißt, im strömenden Regen auf dem Marktplatz. Naumann ist Kirchmeister der Stadtkirche Wittenberg. Hier hat Luther um die 2000 Mal gepredigt, hier wurden auch seine Kinder getauft. Die Kirche selbst ist vor allem von innen ein echter Hingucker. Am Altarbild von Lucas Cranach verweilen manche Gäste eine gefühlte Ewigkeit.
Bernhard Naumann kann mit Witz und Charme den Luther imitieren. Er selbst führt täglich durch die Stadtkirche. Ein Rundgang mit ihm, dürfe für viele Touristen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Genau wie eine Führung durchs Lutherhaus, in dem übrigens die Kanzel zu sehen ist, von der aus Luther in der Stadtkirche predigte. Bei Luthers überlieferter Leibesfülle kann man sich kaum vorstellen, wie er da hinein gepasst haben soll.
Alles rund ums Drucken
Ein weiterer Höhepunkt auf meiner Stadt-Tour liegt unweit des Marktplatzes. Hinter einem Gewölbeeingang eröffnet sich der Cranach-Hof. Wirtschaft, Malschule und historische Druckstube sind hier zu besichtigen. Besonders Letztere ist einen Abstecher wert. Vor knapp 500 Jahren portraitierte Lucas Cranach der Ältere in diesem Raum sehr oft Martin Luther. Heute kann man dank Andreas Metschke viel Wissenswertes über die Geschichte des Drucks erfahren und auch selbst mal Hand anlegen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem selbst gedruckten Mini-Gemälde von Katharna von Bora? Oder der Lutherrose? Andreas Metschke hat sich mit Leib und Seele dem Drucken verschrieben. Eine halbe Stunde mit der Druckerwerkstatt mit ihm – und man fühlt sich wie in einer anderen Zeit.